FAQs zur Änderung der Gemeindeordnung

Hier findet ihr die FAQs der GRÜNEN Landtagsfraktion zur Änderung der Gemeindeordnung (GemO) Rheinland-Pfalz

 

Corona-bedingt ändern wir die Gemeindeordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung

Für uns GRÜNE sind demokratische Prozesse auf allen Ebenen – auch in Krisenzeiten – grundlegend. Mit Sorge haben wir daher beobachtet, dass auf kommunaler Ebene reihenweise Sitzungen ausgefallen sind und Eilentscheidungen ohne vorherige Kommunikation oder Information mit den Fraktionen getroffen wurden. Damit die kommunalen Räte handlungsfähig bleiben und Bürgermeister*innen sowie Landrät*innen das Instrument der Eilentscheidung nicht überstrapazieren, haben wir daher eine Änderung der Gemeindeordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung eingebracht.

Mit dieser Änderung können im Falle von Naturkatastrophen und äußeren Notsituationen Umlaufbeschlüsse gefasst und Ratssitzungen als Video- bzw. Telefonkonferenzen durchgeführt werden. Die Regelungen gelten analog für Ausschusssitzung, Ortsbeiratssitzungen und Sitzungen der Organe der Zweckverbände.

Wir starten jetzt das parlamentarische Verfahren – damit könnte die neue Regelung schon ab Juni gelten. Der Gesetzentwurf ist bis 31. März 2021 befristet, außerdem wird eine Evaluation zu den Auswirkungen des Gesetzes vorgesehen, die bis 31.12.2021 abgeschlossen sein muss. Damit diese Instrumente nicht missbräuchlich verwendet werden, haben wir hohe Hürden eingeführt.

Für uns GRÜNE ist aber klar: Wo immer Sitzungen mit Abstands- und Hygieneregelungen durchgeführt werden können, sollten diese auch realisiert werden. Wir begrüßen es aber, dass wir in der Krise auch neue Wege für den demokratischen Austausch gehen.

Wer entscheidet wann eine Naturkatastrophe oder äußere Notsituation vorliegt?

Die Begrifflichkeiten der Naturkatastrophe und anderer außergewöhnlicher Notsituationen sind der Landesverfassung entnommen. Die Aufsichtsbehörde der Kommune muss der Feststellung einer solchen Ausnahmesituation und des Erfordernisses einer Beschlussfassung außerhalb einer Präsenzsitzung zustimmen. Diese Entscheidung kann also nicht alleine von der Spitze der Verwaltung oder der Verwaltung selbst getroffen werden.

Wie geht ein Umlaufbeschluss von statten?

Umlaufbeschlüsse sollten sehr bedacht eingesetzt werden, da bei diesem Verfahren keine öffentliche Diskussion in den Räten und Ausschüssen erfolgt. Aus GRÜNER Sicht eigenen sich Umlaufbeschlüsse insbesondere bei unstreitigen oder eilige Beratungsgegenständen. Um von den als Regelfall vorgesehenen öffentlichen Präsenzsitzungen abweichen zu dürfen, darf bei Umlaufverfahren kein Ratsmitglied widersprechen. Das Verfahren wird durch die Verwaltungsspitze eingeleitet. Wir haben in der Begründung des Gesetzentwurfes das Verfahren für einen Umlaufbeschluss klar geregelt. Jedem Ratsmitglied ist eine Beschlussvorlage zur Verfügung zu stellen, welche alle zur Abstimmung erforderlichen Informationen und eine Frist enthält, bis zu der eine Stimmabgabe erfolgen muss. Auf die Möglichkeit des Widerspruchs ist hinzuweisen. Außerdem muss gewährleistet sein, dass zwischen Zugang der Beschlussvorlage und der zeitlichen Vorgabe für die Abgabe der Stimme eine angemessene Frist verbleibt, um inhaltliche Nachfragen bei der Verwaltung und eine Diskussion innerhalb der Ratsfraktionen zu ermöglichen. Die fehlende Antwort eines Ratsmitglieds kann nicht als stillschweigende Zustimmung ausgelegt werden. Es empfiehlt sich eine Abstimmung in Textform, um eine dauerhafte Wiedergabe des Erklärungsinhalts sicherzustellen.

Die im Umlaufverfahren gefassten Beschlüsse sind dem Rat in der nächsten Präsenzsitzung vorzulegen und können dann erneut bestätigt bzw. aufgehoben werden. Eine Aufhebung des Beschlusses ist wie bei Eilentscheidungen der Verwaltungsspitze nur möglich, soweit nicht bereits Rechte Dritter entstanden sind (bspw. Kauf von Schutzkleidung). Die im Umlaufverfahren gefassten Beschlüsse sind der Öffentlichkeit unverzüglich bekannt zu geben, sofern nicht Gründe des Gemeinwohls oder schutzwürdige Interessen Einzelner dem entgegenstehen.

Wie können Video- und Telefonkonferenzen organisiert werden?

Video und Telefonkonferenz sind durchführbar sofern zwei Drittel der Ratsmitglieder dem zustimmen. Um dem Grundsatz der Öffentlichkeit bei Video- und Telefonkonferenzen weitestgehend zu entsprechen, ist vorgesehen, dass diese zeitgleich – z.B. per Livestream – über das Internet zu übertragen sind oder der Öffentlichkeit eine Einwahl in die Video- oder Telefonkonferenz ermöglicht wird, sofern keine Geheimhaltungsgründe dem entgegenstehen. Die Unterrichtung der Einwohnerinnen und Einwohner sorgt für die nötige Transparenz. Da in Krisensituationen auch der Vornahme einer öffentlichen Bekanntmachung Hindernisse entgegenstehen können, bedarf es einer Unterrichtung der Einwohnerinnen und Einwohner, welche auch über die Homepage der Kommune erfolgen kann. Natürlich bleibt das Recht jedes einzelne Ratsmitglied an seinem eigenen Bild und Ton als eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bestehen. Dadurch kann die Übertragung eines Livestreams aber verhindert werden. Das Innenministerium wird eine Handreichung für die Kommunen vorbereiten, wie datenschutzkonform Video- und Telefonkonferenz durchzuführen sind.

Grundsatz der Öffentlichkeit:

Der Grundsatz der Öffentlichkeit von Ratssitzungen ist ein wesentliches Grundprinzip des Kommunalrechts, welcher sich aus dem Demokratieprinzip der Landesverfassung und des Grundgesetzes ableitet. Gemeint ist damit eine Sitzungsöffentlichkeit, also die Möglichkeit der persönlichen Teilnahme an einer solchen Sitzung. Es bedarf besonders wichtiger Gründe, um Einschränkungen bei diesem Grundsatz zuzulassen.

Die derzeitige erhebliche Infektionsgefahr durch das Corona-Virus stellt eine solche außergewöhnliche Ausnahmesituation dar. Vor allem betrifft diese Infektionsgefahr Menschen, die einer Risikogruppe angehören. Da gerade auch ältere Menschen in kommunalen Gremien arbeiten, haben wir hier eine besondere Verantwortung. Da die Durchbrechung des Grundsatzes der Öffentlichkeit bereits jetzt in den Fällen von Eilentscheidungen durch Bürgermeister*innen sowie Landrät*innen möglich ist, erscheint es uns aus demokratischer Sicht sinnvoller, Umlaufbeschlüsse und Video- und Telefonkonferenzen zu ermöglichen, damit immerhin alle Ratsmitglieder beim Entscheidungsprozess eingebunden sind.