Die rheinland-pfälzischen Grünen haben bei den Kommunalwahlen am 25.5.2014 so gut abgeschnitten wie noch nie. Mit 9,5 % (1,4% mehr als 2009) und 35 % zusätzlichen Mandaten erreichten sie das historisch beste Ergebnis bei Kommunalwahlen in ihrer 35-jährigen Geschichte. Als Bonbon gibt es dazu noch drei grüne OrtsbürgermeisterInnen und sechs grüne OrtsvorstehrInnen, eine wirklich erfreuliche Bilanz.
Mit Spannung haben die rheinland-pfälzischen Grünen den Ausgang der Kommunalwahlen erwartet. Würde sich der von der grünen Wirtschaftsministerin mit Verve vorangetriebene Ausbau der Windkraft, gegen den sich vielerorts Bürgerinitiativen formiert hatten, bei den Kommunalwahlen negativ auswirken? Letztlich galt diese Wahl auch als Stimmungsbarometer für die im Frühjahr 2016 anstehende Landtagswahl. Mit ihrem 1,4-prozentigen Stimmenzuwachs sind die Grünen aber die absoluten Wahlgewinner, vor der CDU (+ 0,9 %), der Linken (+ 0,5 %) und der SPD (+ 0,3 %), so dass sie mit diesem Rückenwind gestärkt in die Landtagswahl gehen können. Größter Verlierer ist in RLP die FDP (- 4,9 %) vor den Wählergruppen (- 0,9 %). Die AfD konnte vor allem in den Kreistagen und Stadträten punkten, während sie in den Ortsgemeinden und Ortsbeiräten bislang keine Rolle spielt. Positiv ist die mit 55,5 % um 0,4 % höhere Wahlbeteiligung als vor fünf Jahren.
Diskrepanz zwischen Stadt und Land nimmt deutlich ab
In den Verbandsgemeinden, einer im ländlich geprägten Rheinland-Pfalz typischen Verwaltungseinheit benachbarter Gemeinden des gleichen Landkreises, konnten die Grünen teils deutliche Zuwächse verzeichnen, während die etablierten Parteien fast ausnahmslos Mandate verloren. Ein Plus von 65 Sitzen in den Verbandsgemeinderäten und von 14 in den verbandsfreien Gemeinden zeigt auf, dass das Stadt-Land-Gefälle für die rheinland-pfälzischen Grünen weiter abnimmt. Das liegt zum einen daran, dass die Grünen in einigen Verbands- und Ortsgemeinden erstmals antraten und auf Anhieb respektable Ergebnisse einfuhren. Zum anderen zeugen die Mandatszuwächse aber auch von einer stärkeren gesellschaftlichen Verankerung der Partei vor Ort. Grüne sind nicht mehr per se die anonyme Partei, deren Programmatik unverständlich bleibt, die gegen alles sind und deren Protagonisten man nur aus dem Fernsehen kennt. Sie sind auch die sympathische Nachbarin, die ein bisschen weiter in die Zukunft denkt, der nette BI-Sprecher, der nun im Ortsbeirat für die richtige Weichenstellungen sorgen will.
Spitzenergebnisse in den Städten
Sagenhaft das Ergebnis in Zweibrücken mit 11,4% – hier trat zum ersten Mal eine grüne Liste an. In insgesamt acht der zwölf kreisfreien Städte in Rheinland-Pfalz konnten die Grünen ihr Ergebnis verbessern; insgesamt erhöhte sich die Zahl der Sitze um elf. In neun der zwölf kreisfreien Städte liegt die Partei nun bei einem Stimmenanteil von über 11 %. Mainz und Trier hielten ihre Rekordergebnisse aus 2009 mit nur leichten Verluste. Diese beiden Ergebnisse zeigen eine Verstetigung des hohen Niveaus in den rheinland-pfälzischen Großstädten, auch ohne Sonderfaktoren wie 2009 das geplante Mainzer Kohlekraftwerk.
Die Steigerung der bereits 2009 sehr guten Ergebnisse in den Städten Speyer und Neustadt wie auch die Zugewinne in Städten wie Worms, Zweibrücken oder Ludwigshafen belegen aber auch, dass Grüne in Städten ohne ausgeprägtes studentisches Milieu hohe Ergebnisse erzielen können.
Zugewinne auf Landkreisebene
Auch in 22 Landkreisen konnten sich die Grünen im Vergleich zu 2009 noch weiter verbessern und die Anzahl ihrer Sitze von 73 auf 87 steigern. Dabei verteilen sich die Zuwächse quer durchs Land. Am stärksten legte Grüne im Kreis Rhein-Pfalz mit 11,7 % (+3,2 %) und einem Plus von zwei Sitzen zu. Ebenfalls überdurchschnittlich schnitten die Kreise Ahrweiler (10,2 %), Mainz-Bingen (12,7 %) und Südliche Weinstraße (9,8 %) ab. Im Bezirkstag Pfalz verzeichnen die Grünen ebenfalls einen deutlichen Zuwachs von 1,9 %-Punkten auf 9,5 %. Damit vergrößert sich die Anzahl der Sitze von zwei auf drei. Mit dem Ergebnis der Landkreise konnten die Grünen ihre Stellung als Partei in den Regionen weiterhin ausbauen. Sie liefern damit den deutlichen Beweis, dass sie nicht nur in den Städten, sondern auch in der Fläche mit ihren Themen und KandidatInnen die WählerInnen erreichen.
Wahlerfolge trotz und wegen der Windkraft
Allen Unkenrufen zum Trotz wirkte sich der Widerstand örtlicher Bürgerinitiativen gegen den Ausbau der Windkraft nicht relevant auf das Kommunalwahlergebnis aus. Steigerungen von durchschnittlich 0,83 % in den betroffenen Landkreisen und Verbandsgemeinden waren auch hier die Regel. Sensationell sind die Ergebnisse bei den neu angetretenen Listen in der Verbandsgemeinde (VG) Hillesheim (14,9 %) und der dazugehörigen Ortsgemeinde Üxheim-Flesten (18,8 %) sowie der VG Bad Hönningen (8,3 %) während auf Landkreisebene die Ergebnisse dreier neuer grüner Listen bei durchschnittlich nur 4,8 % lagen. Das macht deutlich, wie wichtig es gerade bei der Windkraft ist, Menschen im persönlichen Gespräch zu überzeugen, um Vorurteile, Missverständnisse und Fehlinformationen auszuräumen zu können. Das gelingt auf Orts- bzw. Verbandgemeindeebene sicherlich besser als auf Kreisebene, wo den grünen Protagonisten oftmals der nötige Bekanntheitsgrad fehlt.
BürgermeisteInnen und OrtsvorsteherInnen setzen sich durch
Erfolge auch bei den ehrenamtlichen BürgermeisterInnen und OrstvorsteherInnen: Die Wahlerfolge der grünen DirektkandidatInnen zeigen, dass diese insbesondere dort erfolgreich waren, wo es galt, kostenträchtige Projekte auf den Prüfstand zu stellen oder wo strittige Themen die Gemüter erhitzten. So hielt die als unabhängige Bewerberin auftretende Ortsbürgermeisterkandidatin Elisabeth Kolb-Noack dem amtierenden CDU-Bürgermeister seine Versäumnisse vor und wandte sich gegen den Neubau einer überdimensionierten Mehrzweckhalle, deren Auslastung nicht gesichert und deren Folgekosten nicht kalkuliert wurden. Damit hatte sie Erfolg und schlug den Amtsinhaber mit eindrucksvollen 68,2 %. Mit 57 % konnte sich in der Stichwahl zur Ortsvorsteherin von Zweibrücken-Mörsbach Susanne Murer gegen den SPD-Bewerber durchsetzen. In dem Zweibrücker Stadtteil tobt seit Jahren ein heftiger Streit um die geplante Erweiterung der Mülldeponie, die die Grünen ablehnen. Mit ihrer Forderung, die Pläne für die nur 1,4 km vom Dorfkern gelegenen Deponie endlich offen zu legen, traf sie den Nerv der MörsbacherInnen. Ebenfalls in der Stichwahl durchsetzen konnte sich Reiner Schmitt, unabhängiger Bürgermeisterkandidat von Guntersblum, der damit bereits seine zweite Amtszeit antritt. Schaffte er es vor fünf Jahren noch mit einem hauchdünnen Vorsprung von zwei Stimmen und wurde damit zum ersten ehrenamtlichen grünen Bürgermeister in Rheinland-Pfalz gewählt, konnte er dieses Mal seinen SPD-Kontrahenten mit 61,7 % klar in die Schranken weisen. Mit seinem großen Engagement für den Ausbau der Kinderbetreuung und einem konsequenten Einsatz für Energieeinsparung und den Ausbau der regenerative Energien in seiner Gemeinde konnte er die BürgerInnen überzeugen.
Programm „Fit für 2014“ der GKomV mitverantwortlich für Wahlerfolg
Am historischen Wahlerfolg hat auch die GKomV ihren Anteil. Mit dem bereits vor mehr als einem Jahr aufgelegten Programm „Fit für 2014“ hat sie viele Orts- und Kreisverbände bei der Rekrutierung von BewerberInnen und deren Schulung unterstützt. Ein umfangreicher begleitender Reader bot die Möglichkeit sich auch ohne Seminarbesuch für den Wahlkampf und die Ratsarbeit fit zu machen. Für die neu gewählten MandatsträgerInnen werden im zweiten Halbjahr eine Vielzahl methodischer und thematischer Seminare angeboten, damit sie sich im Dschungel des Kommunaldickichts möglichst schnell zurechtzufinden. Auch bei Koalitonsverhandlungen bietet die GKomV Hilfestellung an. Das ist immerhin bei zwölf von 36 kreisfreien Städten und Landkreisen eine Option.
Strukturelle Probleme lassen noch bessere Ergebnisse nicht zu
Die Anzahl der angetretenen Listen konnte dieses Mal von 269 auf 332 (im Vergleich: CDU 1.099 Wahlvorschläge) und somit um 63 Wahlvorschläge gesteigert werden. Fast überall, wo Grüne neu antraten, konnten überwiegend gute bis sehr gute Ergebnisse erzielt werden. So beispielsweise mit 10,7 % im Mayener Stadtrat, wo seit zwei Jahren ein grüner OB im Amt ist. In einigen Gemeinden wartete man förmlich darauf, dass endlich Grüne antraten. Doch dafür fehlt es vielerorts an Personal. Grüne würden fast überall in die Räte einziehen, wenn sie Listen aufstellen könnten. So erfreulich die Ergebnisse auch sind, es sind noch Steigerungen möglich. Daher ist es unsere vordringlichste Aufgabe, uns um neue Mitglieder zu bemühen, um bei der nächsten Kommunalwahl in vielen weiteren Gemeinden antreten zu können.
Waltraud Blarr (52) ist Referentin für Kommunalpolitik beim bündnisgrünen Landesverband Rheinland-Pfalz und in dieser Funktion auch für die GKomV-Geschäftsführung verantwortlich. Zudem ist sie auch in der neuen Wahlperionde wieder Vorsitzende der Grünen-Fraktion in Neustadt an der Weinstraße.